Warum wir die Verfassungsbeschwerde als Erfolg sehen

Als wir 2013 die Entscheidung trafen, gegen §3 Satz 1 Nummer 13 TierSchG Verfassungsbeschwerde zu erheben, gab es im Verein ein paar Überlegungen, die sich auf den ersten Blick als Dilemma darstellten: Gegen ein Gesetz vorzugehen, das es verbietet, Tiere „zu artwidrigem Verhalten zu zwingen“ ist an sich das Gegenteil von dem, wofür wir Zoos uns in der Gesellschaft und der Tierschutzarbeit stark machen. Es wäre demnach ein Fehler, gegen dieses Gesetz vorzugehen, wenn nicht der Eindruck entstanden wäre, dass wir mit diesem Gesetz „gemeint“ sind.

Dieses Gesetz wurde in der (spärlichen) öffentlichen Debatte jedoch als „Zoophilie-Verbot“ bezeichnet und jene, die ein „Zoophilie-Verbot“ wollten, feierten dieses Gesetz als (ihren) Erfolg. Es war also klar, dass wir „gemeint“ waren und sei es nur aufgrund der Horrormärchen, die über uns verbreitet werden (im Prinzip vergleichbar mit den Horrormärchen über Flüchtlinge, die in reaktionären Kreisen heutzutage ihre Runden machen) und in deren Folge in Teilen der Gesellschaft ein falsches Bild von uns existiert. Nicht gegen dieses Gesetz vorzugehen, mit dem wir ganz klar „gemeint“ waren, wäre also ebenfalls ein Fehler gewesen.
Bei näherer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass aus diesem scheinbaren Dilemma zwei Erfolgsszenarien bei einer Verfassungsbeschwerde entstehen:

  1. Der Beschwerde wird stattgegeben. Das Bundesverfassungsgericht würde feststellen, dass wir mit dem Gesetz „gemeint“ waren und würde dies als unverhältnismäßige Einschränkung der Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung werten. Das Gesetz wäre Geschichte und wir hätten einen politischen Achtungserfolg erzielt.
  2. Die Beschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht würde feststellen, dass wir mit dem Gesetz gar nicht gemeint sind, sondern nur jene Menschen, die Tieren sexuelle Gewalt antun (indem sie diese z.B. zum Sex zwingen). Dann wäre unsere Verfassungsbeschwerde dem Anschein nach zwar gescheitert, aber die Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts würde bedeuten, dass unser Ziel, sexuelle Partnerschaften zwischen Menschen und anderen Tieren in der öffentlichen Meinung wieder zu legalisieren, dennoch erreicht wäre.

Gescheitert wären wir vor dem Bundesverfassungsgericht dementsprechend nur, wenn das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde zur Entscheidung angenommen und sie dann abgelehnt hätte (wie dies z.B. beim umstrittenen Inzest-Urteil der Fall war).

Mit der Entscheidung des zweiten Senates ist nun durch einige wichtige Formulierungen unser zweites Erfolgsszenario Realität geworden. Die erste wichtige Formulierung ist diese hier:

Der Begriff des „artwidrigen“ Verhaltens steht zudem in engem Zusammenhang mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal des „Zwingens“ zu einem solchen Verhalten, der eine tatbestandsbegrenzende Wirkung entfaltet. Nach der Gesetzesbegründung soll das „Erzwingen“ zwar sowohl durch körperliche Gewalt als auch auf andere Weise möglich sein (vgl. BTDrucks 17/11811, S. 28). Eine Auslegung anhand der Systematik des § 3 TierSchG und im Hinblick auf Sinn und Zweck des Verbots ergibt, dass es sich bei dieser anderen Weise des Zwangs um ein Verhalten handeln muss, welches mit der Anwendung von körperlicher Gewalt vergleichbar ist.

Die sexuellen Beziehungen, die zoophile Menschen mit ihren tierischen Partnern führen, können folglich nicht gemeint sein. Der Gesetzestext behauptet nicht, dass der der Tatbestand des Zwanges bei sexuellen Handlungen zwischen Menschen und anderen Tieren immer gegeben sei (wie Anführungszeichen-Tierschützer es tun), sondern er fordert den Nachweis dieses Zwanges durch die Behörden.

Auch der Begriff des „Artgerechten“ beziehungsweise „Artwidrigen“ ist dem Recht nicht fremd. Es handelt sich um einen im Tierschutzrecht gebräuchlichen Begriff, der sich auf die Haltung und Unterbringung von Tieren bezieht (vgl. § 2 TierSchG, § 8 TierSchHuV).

Dies ist eine nicht zu unterschätzende Deutung und ein Stück weit auch Festlegung der Bedeutung des Begriffes „artwidrig“, denn dass sexuelle Handlungen zwischen verschiedenen Tierarten grundsätzlich „nicht artgerecht“ sein sollen, ist nicht nur nicht erwiesen, sondern kann auf Basis der aktuellen Forschung fundiert in Zweifel gezogen werden.

Ein weiterer Hinweis des Gerichtes, liefert eine weitere Bestätigung für die Straffreiheit zoophiler Handlungen:

Zwar greift § 3 Satz 1 Nr. 13 TierSchG in die sexuelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführer ein. Jedoch greift der Tatbestand des § 3 Satz 1 Nr. 13 TierSchG nur, wenn das Tier zu einem artwidrigen Verhalten gezwungen wird. Zudem bedient sich der Gesetzgeber hier nicht des Strafrechts, sondern gestaltet die Norm als bloße Ordnungswidrigkeit aus, deren Verfolgung und Ahndung dem Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG) folgt und damit im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde liegt. Dabei kann bei Vorliegen besonderer, nicht notwendig außergewöhnlicher Umstände der Unrechtsgehalt des Verstoßes und das sich daraus ergebende Gefährdungspotenzial so gering sein, dass eine Verfolgung und Ahndung nicht geboten erscheint (vgl. Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 47 Rn. 2).

Wie schon verschiedene Gutachten über die tierischen Partner von zoophilen Menschen gezeigt haben, erfreuen sich diese Tiere in der Regel bester physischer wie psychischer Gesundheit. Einige Zoos haben sich bereits vor Jahren bei ihrem Tierarzt geoutet (auch, um Zoonosen vorzubeugen), sodass auch dieser eine realistische Einschätzung zum Mensch-Tier-Verhältnis geben kann und das „Gefährdungspotential“ des Tieres durch seinen zoophilen Menschen entsprechend niedrig genug eingeschätzt werden kann bzw. muss, sodass es regelmäßig nicht zu einer Ahndung kommen wird.

Insgesamt ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht für uns also tatsächlich ein Grund zur Freude. Unser Dank für dieses Projekt gilt den beiden Zoos, die sich mit ihrem bürgerlichen Namen als Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt haben, den Sachverständigen, die für uns Gutachten zum Thema tierische und menschliche Sexualität erstellt haben und natürlich allen, die diese Verfassungsbeschwerde durch ihre finanzielle Unterstützung überhaupt erst möglich gemacht haben.