Wenn Ameisen sich anderen Artgenossen mitteilen wollen, versprühen sie nacheinander verschiedene Duftstoffe, die sich unterschiedlich schnell in der Luft verbreiten. Eine Ameise, die die Mitteilung erhält, wird nacheinander Teile der Information erhalten und sie dann zu einer Gesamtnachricht zusammenfassen, wobei sie aber bereits währenddessen erahnen kann, was die Nachricht enthält. Die Sprache der Ameisen enthält also mindestens rudimentäre Formen des Satzbaus.
Wenn wir allerdings aus 1,75m Höhe auf diese Ameisen herabblicken, bleibt uns diese Form der Kommunikation nahezu verschlossen. Zwar können wir die Reaktion der Ameisen auf bestimmte Nachrichten beobachten und daraus Rückschlüsse ziehen, was wohl kommuniziert wurde. Jenseits davon bleibt uns die Kommunikation der Ameisen bei bloßer Beobachtung aber verborgen.
Die starke Vermenschlichung von Tieren in Fabeln und Märchen hat dazu geführt, dass selbst Naturforschern oft der Blick auf die Vielfalt und Komplexität tierischer Kommunikation verstellt war bzw. noch bis heute ist. Bis ins 20. Jahrhundert hielt sich die Ansicht, dass Sprache eine Besonderheit des Menschen sei. Erst Karl von Frischs Beobachtung der Tanzsprache von Honigbienen führte dann langsam zu einem Umdenken. Heutzutage stoßen Wissenschaftler auf eine immer größere Vielfalt an Kommunikationsstrategien und auf eine immer größere Komplexität.
Es gibt akustische, optische, chemische und sogar elektrische Sprache, Mimik, Gebärden, ob genetisch festgelegt oder erlernt. Die Position des Tieres im Raum zu anderen Tieren hat eine Bedeutung, und alles zusammen gibt selbst in dem sehr begrenzten Spektrum der uns zugänglichen Kommunikation eine riesige Menge von Kombinationsmöglichkeiten, die alle mit einer Bedeutung belegt sein können. Gleiches Verhalten kann in verschiedenen Kontexten eine andere Bedeutung haben, die Bedeutung zweier Laute kann von der Reihenfolge der Laute abhängen.
Francine Patterson entwickelte eigene Gebärdensprache für Gorillas und brachte diese Sprache der Gorilladame Koko bei, wodurch beide in der Lage waren, in der gleichen Sprache miteinander zu kommunizieren:
Hunde und Wölfe teilen ihre Gefühle über eine differenzierte und Ausdrucksstarke Körpersprache mit. Die Stellung des Kopfes, der Ohren, der Rute, des Felles, der Pfoten, eine frontale oder seitliche Positionierung zum Gegenüber haben allesamt Bedeutung und die Tiere schöpfen diesen weg der Kommunikation zu jeden Zeitpunkt aus. Aber auch akustisch kommunizieren sie: Es gibt mindestens 21 verschiedene Arten von Wolfsgeheul , die „geh weg“, „wo seid ihr“, „kommt her“ oder „ich bin hier“, „ich suche einen Partner“, etc. bedeuten.
Tiere sind dabei nicht auf ihre eigene Art beschränkt. Immer wieder gelingt es Tieren, sich mit anderen Tierarten zu verständigen, Freundschaften zu schließen oder sogar eine symbiotische Beziehung einzugehen.
Die Behauptung, Tiere könnten sich nicht äußern, kann daher nur als Unsinn zurückgewiesen werden und Aktionen, mit denen man Tieren „seine Stimme“ geben soll, können nur bedeuten, dass damit eigene Ansichten, Bedürfnisse und Gefühle in die Tiere hineinprojiziert werden. Da Tiere in der Lage sind, zu kommunizieren, wäre es viel wichtiger, ihnen zuzuhören und zu Wege zu finden, ihnen Fragen zu stellen und die Antworten ernst zu nehmen – auch wenn sie zunächst einmal dem eigenen Bild vom Tier widersprechen mögen.
( Dies ist der zweite Beitrag aus der Reihe „Tierisch menschlich“ )