Pferdeflash

Einst hatte ich eine Reitbeteiligung an einer Stute. Sie war eine meiner größeren Lieben und ich habe sie hinterher schmählich im Stich gelassen, nachdem ich geheiratet habe. Andere Geschichte, aber auch erzählenswert. Von Schuld und keine Sühne. Außer seitdem ein schlechtes Gewissen, für das mich jeder Normalmensch für verrückt erklären würde.

Aber es ist ja auch nicht jeder ein Zoo.

Egal. Wir auf unserer Runde, ich hatte vor einiger Zeit erfahren, wie alt sie wirklich mindestens war, mindestens 25, also schon ziemlich alt. Es war warm und sehr feucht, hatte gerade geregnet, die feuchtigkeitsgesättigte Luft war fast schon trotz der Wärme im Wald neblig, wir gingen im Schritt auf einem weichen Polster aus Tannennadeln, es war ein Gefühl wie in Watte zu schweben. Meine Gedanken waren fast verstummt. Auf allem lag ein dünner Feuchtigkeitsfilm, auch auf Flickas Hals, und in diesem Moment brach ein Sonnenstrahl durch das Blätterdach und das Fell auf ihrem Hals leuchtete auf wie flüssiger Honig.

 

Darauf war ich gerade nicht gefaßt.

 

Eine Welle der Bewunderung von so viel Schönheit schwemmte meine Contenance hinweg, ich verlor mich in der Situation und fragte sie im Stillen „Wie warst Du bloß erst, als Du jung warst.“
In diesem Moment galoppiere ICH im warmen Abendsonnenschein über eine Weide, spüre die Wärme auf meinem Körper, der sich ganz anders anfühlt als mein menschlicher Körper, verspüre Kraft und eine Lebensfreude, die ich so weder vorher noch danach jemals erlebt habe und mir auch nie hätte vorstellen können, und schlage mit MEINEN Hinterhufen Löcher in die Luft vor überschäumender Lebenslust.

Über allem lag trotzdem ein Hauch von Bitterkeit und Vorwurf, das hat sie mir aber nicht näher erklärt.

Und ich? Ich war dankbar. Ich war haltlos verliebt. Sie war eine Stute. Ich war ein Mensch. Ich entschloß mich, in der menschlichen Gesellschaft zu leben. Zum Sonderweg reichte meine Kraft nicht. Damals. Habe mich konsequenterweise in eine Beziehung gezwungen. Erfolgreich. Habe die Reitbeteiligung aufgegeben, weil keine Zeit, kein Geld jetzt mit Familie, Frau und Stieftochter verlangten auch Zeit – – sicher, alles gute Gründe. Alles erwachsen aus Schwäche, in letzter Konsequenz aus der andauernden Verzweiflung meiner jungen Jahre.

Später habe ich erfahren, sie wurde geschlachtet.

Ich kann mein Verhalten begründen. Ich kann es auch verstehen.

Verzeihen kann ich es nicht.