Von Spinnen und Schuld

Als Kind bis so vielleicht 5 Jahre hatte ich vor Spinnen keine Angst. Ich weiß nicht, was dann passiert ist, aber mit ca. 10 Jahren hatte ich panische Angst.    

1970 
Das ging so weit, daß ich einige Tage im Auto schlief, weil im Ferienhaus in Frankreich, ich schlief da separat in einer mit Holz verkleideten Wellblechhütte, eine Spinne in der Kehle zwischen Decke und Wand entlanglief. Und zwischen der Verkleidung und der Außenwand waren Hunderte. Zum Glück ließ man mich. Man hätte mich auch zwingen können, weiter dort zu schlafen.    

1975 
Später, ich war vielleicht 15, hatte ich ein Zimmer im Keller. Mit Luftschacht und – Spinne. Sie saß zwischen der dicken Leutchtstoffröhre und der Ecke an der Decke. Direkt über meinem Kopf, wenn ich im Bett lag. Ich hatte sogar Angst, mich zu nähern, um sie totzuschlagen. Also ließ ich sie in Ruhe, wenn sie mich in Ruhe ließ. Tat sie auch, wurde über die Monate ziemlich dick und irgendwann saugte ich sie in den Staubsauger. 
Eigentlich hatte ich ja gewonnen, aber ich fühlte mich schlecht dabei.    

1975 
Eine andere, in dem gleichen Kellerzimmer, lief quer über den Teppich. Ich wollte einerseits, daß sie verschwindet, hatte andereseits den Impuls sie totzuhauen, und auch noch Angst. Also schlug ich mit der Sandale daneben. Die Spinne war sich auch nicht sicher, wie das gemeint war. Sie verkroch sich zwischen Teppich und Wand, so daß nur noch die Enden der Beine zu sehen waren. Ich schlug weiter daneben auf den Teppich, wollte eigentlich sie nicht verletzen, nur daß sie ging. Sie lief dann aus dem Zimmer und quer über den Beton des Flures, wobei sie einen Haufen Lärm für so ein kleines Insekt machte um mich zu beeindrucken. Ich war auch beeindruckt, habe das wohl verstanden, und schlug sie trotzdem tot.  Und wußte in dem Moment, daß das falsch war.   
Mittlerweile stehe ich Spinnen eher neutral gegenüber, und trotzdem mache ich mich immer wieder schuldig.

2004 
Eine der Spinnen in meinem Haus, von der Sorte, die ihre Eier in einem Ball in ihren Kiefern mit sich herumtragen, klebte ihre gerade geschlüpften Jungen in einem Gespinst unter die Decke. Ich wollte keine Dutzende von Spinnen herumlaufen haben, bei allem Waffenstillstand, und versuchte, das Zeug einschließlich Jungspinnen von der Decke zu entfernen. Es funktionierte nicht und die meisten Jungspinnen gingen dabei drauf. Die Mutter war außer sich, hatte diesen Angriff nicht von mir erwartet, war überrascht, traurig, etwas vorwurfsvoll, verstand die Welt nicht mehr.    

2005 
Eine große Spinne, eine von denen mit den langen, dünnen Beinen, saß im Topfschrank. Mittlerweile benutze ich die Methode mit dem Glas und dem Papier. Das Glas war zu klein und die Spinne hatte plötzlich auf jeder Seite nur noch 2 Beine. Sie schwankte auf ihnen herum, war fassungslos, vorwurfsvoll

„Sieh Dir an, was Du aus mir gemacht hast!“    
    
Ich sah es, das war keine Absicht gewesen, es ist einfach passiert, aber ich bin nicht christlich genug, um an Vergebung zu glauben.