Wenn die Debatte über Zoosexualität Twitter erreicht

Ein Gastbeitrag von Charles Menni

Am 5. September 2023 retweetete (oder „re-Xed“) ich auf meinem Konto Charles Menni einen Tweet von der französischen Tierschutzorganisation Once Voice, der ein Video zeigt, in dem eine Ponystute von jemandem misshandelt wird, der wahrscheinlich ein Reitlehrer ist.

Was meinen Retweet so besonders machte, war der Vergleich zwischen der Strafe, die jemandem droht, der wegen solcher Gewalttaten gegen ein Tier verurteilt wird, in der Regel eine Strafe von ein paar hundert Euro, mit der Strafe für jemanden, der wegen sexueller Handlungen an einem Tier verurteilt wird. In Frankreich drohen Zoosexuellen 6 bis 18 Monate Haft auf Bewährung und mindestens 5 bis 10 Jahre Registrierung als Sexualstraftäter, lebenslanges Verbot, ein Tier zu halten (im Gegensatz zu grausamen Handlungen, bei denen das Verbot vorübergehend sein kann) und eine obligatorische Therapie. Beachten Sie, dass das Strafmaß nicht von der Schwere der Tat abhängt. Die Anwendung von Zwang, Gewalt oder das Zufügen von Verletzungen hat keine Auswirkung auf darauf. Allerdings ist die Tatsache, dass der Verurteilte irgendeinem Grund der Eigentümer des Tieres ist, ein erschwerender Faktor.

In meinem Beitrag habe ich behauptet, dass jeder, der „irgendwelche sexuellen Handlungen mit einem Tier, das darum gebeten hat“, mit einer solchen Strafe rechnen muss. Mit einem Konto, das die Beschreibung „Zoosexuell und Pferdeliebhaber, der gegen Vorurteile kämpft“, ging mein Tweet viral und erreichte 600 000 Aufrufe in weniger als zwei Tagen. Das ist nicht schlecht für einen Account, der nur 20 Abonnenten hatte. Viele Leute reagierten auf „dass darum gebeten hat“. Es zielte auf folgende Fragen ab: Können Tiere einem Menschen sexuelle Avancen machen? Sollte ein solches Verhalten unterdrückt werden, wenn es keine Gewalt, Zwang und Verletzung gibt?

Der Begriff „jegliche sexuelle Handlungen“ wurde bewusst gewählt, da mit dem neuen französischen Anti-Bestialität-Gesetz der sehr weit gefasste Begriff des „atteinte sexuelle“ (sexuellen Missbrauchs) gewählt wurde, der seit dem Fall Junior im Jahr 2007 den Begriff der „sévices de nature sexuelle“ (sexuelle Gewalt) ersetzt, der nur die aktive Penetration des Tieres inkriminierte. Im Jahr 2022 war ein Lokalpolitiker einer der Ersten, gegen den ein Verfahren eingeleitet wurde. Er hatte sich von zwei seiner 21 Hunde besteigen lassen. Er erklärte: „Ich kümmere mich gut um sie, ich praktiziere keine Sodomie mit ihnen, sie sind diejenigen, die es tun, wenn sie Lust darauf haben (1.) In keinem Zeitungsartikel über den Fall wurde behauptet, dass Anzeichen von Misshandlung gefunden wurden. Er wurde für schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt, zusammen mit den anderen ergänzenden Strafen, die wir bereits erwähnt haben.

In einem Land, in dem Massentierhaltung betrieben wird und in dem die künstliche Besamung die Norm ist, sogar auch bei Haustieren, ist dieses Maß an Strenge fragwürdig. Zoosexualität wird nicht „nur“ mit Misshandlung gleichgesetzt, aber wie gesagt, wer verurteilt wird, dem droht die gleiche Strafe wie für „grausame Handlungen“, und sogar noch mehr, wenn wir die ergänzenden Strafen in Betracht ziehen, da jemand, der wegen grausamer Taten nicht in das Register für Sexualstraftäter aufgenommen wird.

Auf meinem Twitter-Account habe ich weitere Beiträge veröffentlicht, darunter einen Link zu meinem Artikel auf Französisch, der die Argumente des französischen Tierschutzvereins Animal Cross in ihrer 2019 veröffentlichten „Untersuchung“ zur Zoosexualität sehr kritisch betrachtet. (2.) In einem anderen Beitrag erinnerte ich daran, dass 2006 das dänische Ethikkomitee sich in seiner Schlussfolgerung gegen ein totales Verbot von sexuellen Interaktionen zwischen Mensch und Tier ausspricht, wenn weder Gewalt noch Zwang vorliegen. Es behauptete sogar, dass ein solches Verbot kontraproduktiv sein könnte, da es Menschen davon abhalten könnte, ihre Tiere im Falle einer Verletzung zum Tierarzt zu bringen (3.)

Mein Twitter-Post ging immer noch viral, und ich erhielt immer noch hasserfüllte Kommentare, Todesdrohungen, Aufforderungen zur Selbstverletzung oder zum Selbstmord, die meisten von ihnen sind auch heute noch auf Twitter. Manchmal gelang es mir, mit einigen eine Diskussion zu führen, in der es um Themen wie Einwilligung, tierisches Sexualverhalten und meine psychische Gesundheit ging.

Am 7. September, zwei Tage nach Veröffentlichung meines Beitrags, wurde mein Konto gesperrt. Das mag nicht überraschen, aber die Begründung war. Es „wurde wegen Verletzung der Twitter-Regeln aufgrund einer Nutzermeldung.“ Genauer gesagt, für: „Verstoß gegen unsere Regeln gegen grafische Gewalt oder nicht jugendfreie Inhalte in Profilbildern“. Mein Profilbild zeigt ein graues Pferd, das in die Kamera vor einem Bäumchenwald in die Kamera blickt, und mein Banner zeigt ein paar grasende Pferde in einem Feld bei Sonnenuntergang. Beide Bilder habe ich gefunden, indem ich bei DuckDuckGo „Pferdebild copyright free“ eingab und einige der ersten Ergebnisse auswählte. Ich legte Einspruch ein, und am nächsten Tag weigerte sich Twitter, mein Konto wieder zu aktivieren, ohne eine weitere Erklärung abzugeben. Ich legte erneut Einspruch ein, verlangte mehr Details und erhielt die gleiche Antwort.

Diese Entscheidung erinnerte mich an diejenige, die in Deutschland in den Jahren 2009 – 2010 erging, als der Zeta-Verein versuchte, sich rechtlich als Verein zu registrieren. Er wurde abgelehnt, weil sein Ziel „gegen die guten Sitten“ verstoße, eine andere Begründung wurde nicht gegeben. Das hat mich auch zum Nachdenken gebracht, was mit der französischen Gemeinschaft geschah, die zwischen 2019 und 2021 versuchte, ihre Argumente vorzubringen, um zu verhindern, dass das neue Gesetz zu hart gegen Zoosexuelle wird. Am 29. Juni 2021, nach einer Klage gegen unbekannt, die von Animal Cross und seinem Präsident Benoit Thomé wegen Morddrohungen, Identitätsdiebstahls und Belästigung erstattet wurde, fand eine Razzia in den Häusern von Mitgliedern der Gemeinschaft statt.(4) Auch Jahre nach dem Vorgang wurden keine Beweise gegen sie gefunden. Nach einer Untersuchung wegen „Doxing“ wird Herr Benoit Thomé jedoch im Jahr 2024 wegen der Veröffentlichung eines „Interviews eines Zoophilen“ auf der Website seines Vereins vor Gericht gestellt, das am Ende die Adresse und den Namen einer Person enthielt, die er für ein Mitglied der Gemeinschaft hielt.

Wie diese Veranstaltung gezeigt hat, sollen kontroverse Debatten zwar zum Kern der Demokratie gehören. Aber Argumente, die Zoosexualität verteidigen, können Konsequenzen haben, für Zoosexuelle, aber auch für Forscher, Politiker und Journalisten, und sogar zu Zensur führen. Doch mit der Verschärfung des Strafmaßes bei einer Verurteilung wegen zoosexueller Handlungen ist die Notwendigkeit einer rationalen Prüfung eines solchen Verbots unbestreitbar. Deshalb muss das Tabu, dass dieses Thema umgibt, gebrochen werden und in diesem Zusammenhang ist Zensur jeder Debatte über das Verbot von zoosexuellen Handlungen auf Twitter kein guter Anfang.

 


  1. RIVET Jérôme, Tarn : un élu local condamné pour zoophilie sur ses chiens, Ladepeche, 2022.
    https://www.ladepeche.fr/2022/05/17/tarn-un-elu-local-condamne-pour-zoophilie-sur-ses-chiens
    MENNI Charles, Animal Cross, la Zoophilie et la Science, Blog des Zeta Verein, 15 avril 2023. Disponible sur:
    https://blog.zeta-verein.de/fr/2023/04/animal-cross-la-zoophilie-et-la-science/
  2. Conseil Danois d’Ethique Animale, Rapport au sujet des rela ons sexuelles entre des êtres humains et des animaux, Novembre 2006.
    Version originale :
    https://www.jus tsministeriet.dk/sites/default/files/media/Pressemeddelelser/pdf/2006/Udtalelse.pdf
    English version: https://www.animalzoofrance.com/images/4/4e/Rapport.pdf
  3. Story of the raid in french by BojackFR: https://www.animalzoofrance.com/wiki/Blog:2021-08-03